Wie Ikarus über sich selbst hinaus wachsen

Mit der Malerin Gisela Krause eröffnete Ursula Hauser nach einer langen Sommerpause am vergangenen Freitagabend die Kunstsaison 88/89 in ihrer Galerie “arte nuova” in Flawil.

54 zum grössten Teil grossformatige Bilder stellt die in Sonnental in der Gemeinde Oberbüren lebende Künstlerin in der Flawiler Galerie aus. Es sind Bilder, die sich mit der Erdgebundenheit, mit dem Bemühen des Menschen, über sich selbst hinauszuwachsen und sich aus der Befangenheit abzuheben, auseinandersetzen.

Gisela Krauses Werdegang

In einer kurzen Einführung· stellte der Oberbürer Gemeindeammann Ernst Benz an der Vernissage Gisela Krause und ihr Schaffen vor. Gisela Krause kam 1936 im bundesdeutschen Pirmasens in Rheinland-Pfalz zur Welt. 1966 zog sie mit ihrem Ehegatten und den beiden Kindern Axel und Evelyn in die Schweiz. Hier konnte sie endlich ihren von Kindheit an getragenen Wunsch und die in ihr schlummernden Talente ausleben – sie begann, relativ spät zwar und für sie zu spät, zu malen. Von 1973 bis 1978 belegte sie Vor- und Abendkurse an der Kunstgewerbeschule in Zürich. Mit Privatstunden bildete sie sich bei Prof. Mitacek in Dietlikon weiter, der ihre Stilrichtung entscheidend geprägt und sehr lange beeinflusst hat.

Welten vergangen

Bereits 1980 stellte Giseta Krause ihre Werke erstmals der Öffentlichkeit vor, in der Galerie “Alte Bank” in Niederuzwil. Und die Laudatio sprach auch damals Gemeindeammann Ernst Benz, der jetzt von der Künstlerin sagt: “Aus künstlerischer Sicht sind für Gisela Krause seit damals nicht nur Jahre, sondern Welten vergangen.” Unter den Künstlerinnen und Künstlern in der Region nimmt Gisela Krause einen besonderen Stellenwert ein. Wo viele noch kopieren und, sich an die Grenzen ihres Könnens herantastend, ihrem ureigensten Stil suchen, sie hat ihn gefunden. Ihr Können, so eine “Berufskollegin”, nötigt Respekt ab.

Innerer Aufschrei

Mit 54 anspruchsvollen Werken stellt die sensible Künstlerin nun ein weiteres Mal ihr Schaffen dar. In ganz verschiedneo Techniken, Acryl, Gouache, Tusche, in Mischtechniken wie Kohle und Kreide, Kohle und Tusche, aber auch mit Radierungen verarbeitet sie ihre Auseinandersetzung mit sich selbst, mit ihrer Umwelt. Im Ikarusmotiv geht Gisela Krause dem menschlichen Versuch, über sich selbst hinauszuwachsen, nach und greift Grundsätzliches auf: Erfolg und Misserfolg, Start und Absturz gehören zum menschlichen Leben. Das eine schliesst das andere nicht aus. Aus ihren Werken spricht, was sich in den Bildern des Ikarus manifestiert, einSehnen nach mehr Freiheit. Sie sind aber auch ein Aufschrei gegen die Bedrohungen unserer Welt, gegen Unterdrückung, gegen Krieg. Mit ihren Werken legt Gisela Krause schonungslos ihr lnnerstes offen, sie sind ein Spiegelbild ihrer Sehnsüchte und Hoffnungen.

Zeit nehmen

Vorwiegend grossforrnatige Bilder sind derzeit in der Galerie “arte nuova” zu sehen. Durch die harmonische Flächenaufteilung und die zum Teil zurückhaltenden und dann wieder verschwenderischen Farbspuren entsteht eine ungeheure Spannung in ihren Bildern, die auch bei Verwendung wärmerer, erdiger Farben nichts von ihrer Tragik verlieren. Gisela Krauses Werke sind Bilder, die zur Auseinandersetzung herausfordern, die sich dem Betrachter erst nach längerem Eingehen erschliessen. Man muss sich Zeit nehmen, sich hinsetzen, sie in aller Ruhe ansehen und einfach mal auf sich wirken Jassen. Plötzlich beginnen sie zu erzählen …

unbekannt, St. Galler Tagblatt?