Eine weibliche Biografie in Bildern

Mit der eigenen Retrospektive eröffnet Gisela Krause die neue Atelier-Galerie an der Salstrasse 48

Die in jeder Hinsicht bemerkenswert umgebaute, neue Atelier-Galerie liegt an der Salstrasse nahe beim ehemaligen “Rosthaufen”. Gisela Krause hat sie mit einer eigenen Retrospektive eröffnet. Die in einer Zeitspanne von fast dreissig Jahren entstandenen Arbeiten präsentiert die Künstlerin auf persönliche eindrückliche Art. Der Bogen ihres Werdegangs spannt sich denn vom braven Naturstudium bis hin zu fliessenden Kompositionen, die stark Krauses Handschrift tragen. Bemerkenswert ist dieser Prozess einer Bewusstwerdung einerseits vom künstlerischen Potential her. Anderseits zeigt sich hier eine weibliche Biografie.

Da Gisela Krause zu ihren malerischen Anfangen steht, zeigt sie in der Eröffnungsausstellung in der Atelier-Galerie an der Salstrasse auch einzelne Bilder aus diesen Anfängen. Mit 27 Jahren hat Gisela Krause noch Impressionisten kopiert. Die Retrospektive dokumentiert eine Suche nach den eigenen Ausdrucksmitteln, dem eigenen Stil. Vor bald einem Jahr sind die Eheleute Krause von St. Gallen nach Winterthur umgezogen. Die Atelier-Galerie ist das auffallend geschmackvolle Ergebnis eines aufwendigen Umbaus einer ehemaligen Auto-Werkstatt. Weiss gestrichen, von Oberlichtem erhellt, der Boden mit graugesprenkelten, meist matten Steinzeugplatten gefliest, ist die Galerie eine Augenweide. Gemauerte Stellwände unterteilen den weitläufigen Raum, der hinten in einem grossen Quadrat endet. Durch einen Hof vom Wohnhaus getrennt, grenzt Gisela Krauses Atelier daran.

Die Atelier-Galerie soll Künstlerinnen und Künstlern gegen bescheidene Miete zur Verfügung gestellt werden, deren künstlerische Auseinandersetzung ernsthaft und für Krause nachvollziehbar ist. Was aber bewegt sie zur Eröffnung einer Galerie? Einerseits haben ihre eigenen Galeristinnen – je eine in Riehen und in St. Gallen – in den letzten Jahren entweder geschlossen oder reduziert. Anderseits erhofft sich Krause einen willkommenen Unterbruch zu ihrer Arbeitsform, die nach klösterlicher Zurückgezogenheit verlangt.

1977, mit 41 Jahren, hat Krause den Vorkurs an der Zürcher Schule für Gestaltung abgeschlossen. Ausschlag zum Besuch gaben freie Kurse, die sie schon  vorher an der Kunstgewerbeschule besucht hatte. Klar, dass Gisela Krause vorerst Verköstigung und Betreuung vor allem für ihre damals zehnjährige Tochter regelte. Der sechzehnjährige Sohn war schon selbständiger. Ab 1978, im neuen Haus in Oberbüren SG, stand ihr ein eigenes Atelier zur Verfügung. Dort probierte sie in den frühen achtziger Jahren Techniken und Stilrichtungen aus. Arbeiten aus jener Zeit wirken noch unpersönlich und wenig einheitlich. Neben dem eigenen Probieren hat ihr auch die zweimalige Teilnahme an der Sommerakademie in Salzburg 1981 und ’83 wichtige Impulse gegeben. Seit 1980 stellt Krause regelmässig einzeln und in Gruppen aus. 1987 war sie eine der Preisträgerinnen des Wettbewerbs “Kunst in der Stadt” in der Winterthurer Marktgasse.

Zyklischer Rhythmus

Der Durchbruch zum eigenen Stil gelang Krause etwa vor zehn Jahren. Seither auch meldet sich jeweils ein Thema, dessen Umfang sie behutsam abtastet, dem sie seinen Platz einräumt. Manchmal sind es grosse Zyklen, manchmal nicht. “Ich habe begriffen, dass ein Thema selten mit einem Bild erledigt ist.” Vom “Vogelmenschen” hin zur “Ikarus”-Serie in den Jahren ’86 und ’87, steht das Element Luft im Zentrum. Zwischen ’89 und ’91 beschäftigt sich Krause in einem Zyklus intensiver Bilder mit Figuren, letztlich wohl mit sich selbst. “Häutungen” sind teils gekennzeichnet durch eine Ballung kräftig schwarzer Linien, die eine Figur sozusagen einkreisen. Kommt Farbe ins Spiel, ist es oft Rot. “Rot bedeutet nicht einfach Blut. Rot verstehe ich als lebendige, dramatische Farbe.”

Leicht und offen

Die menschliche Figur oder der Mensch spielt in Krauses Werken fast immer eine Rolle. Auch zwei grossformatige Bäume weisen menschliche Eigenschaften auf. Dass sie zusätzlich über eine gute Portion Selbstironie verfügt, zeigt die Künstlerin am Beispiel “Alter Ikarus”.

In zwei Beispielen des Wasserzyklus sowie zwei wundervoll leichten Landschaften zeigt Krause, dass sie auch ohne Figuren auskommt. Obwohl mit Acrylfarbe deckend gemalt, also stark akzentuiert, wirken die neuen Bilder leicht. Viel offener im Vergleich von vor zehn Jahren.

Kathrin Gebert-Kuhn, Landbote